Erklärung des Internationalen Sachsenhausen Komitees zu den anstehenden Europawahlen

In diesem Jahr wurde der 79. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge der nationalsozialistischen Konzentrationslager begangen. Aus diesem Anlass trat das Internationale Sachsenhausen Komitee zu seiner jährlichen Präsidiumstagung zusammen.

Das Internationale Sachsenhausen Komitee blickt In diesem Jahr auf sein 60-jähriges Bestehen zurück. Die ehemaligen Häftlinge schlossen sich nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat zu nationalen Häftlingskomitees zusammen. Es entstand der Wunsch- auch einen internationalen Verband zu bilden, der über Ländergrenzen und über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg die Verbundenheit der überlebenden Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen zeigen würde. Nach ihrer Befreiung schworen sie: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Rassismus und Antisemitismus!“. Sie gelobten, gemeinsam eine neue Welt des Friedens und der Völkerverständigung aufzubauen.

„Hier war das ganze Europa“ erklärte der polnische Schriftsteller und Sachsenhausen-Häftling Andrzej Szczypiorski. Viele der befreiten Sachsenhausen-Häftlinge haben nach 1945 aktiv die Politik in ihren jeweiligen Heimatländern mitgestaltet. Und so wurden die ehemaligen Häftlinge der Konzentrationslager zu Gründungsvätern und -müttern der UNO und später der Europäischen Union.

Die sich seit längerem vollziehenden Veränderungen der politischen Verhältnisse in Deutschland und darüber hinaus, erfüllen uns mit großer Sorge.

Wir als Nachkommende, als Familienangehörige und als Freundinnen und Freunde der ehemaligen Sachsenhausen-Häftlinge haben die teure Verpflichtung auf uns genommen, das Vermächtnis der ehemaligen Häftlinge aus etwa 40 Nationen in Ehren zu halten.

Ein wesentlicher Bestandteil dieses Vermächtnisses ist die Bitte an die jungen Menschen, ihren „Kampf gegen die Nazi-Ideologie und für eine gerechte, friedliche und tolerante Welt fortzuführen, eine Welt, in der Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus keinen Platz haben sollen“.

Daher rufen wir die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Europa und Deutschland dazu auf:

  • Gehen Sie zur Wahl! Wer nicht wählt, erleichtert es extremistischen Strömungen, einen größeren Einfluss auf die Politik zu bekommen.
  • Gehen Sie zur Wahl! Niemand hat gesagt, dass Demokratie leicht ist. Eine Demokratie kann aber nur dauerhaft bestehen, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger aktiv an ihr beteiligen.
  • Wählen Sie sorgfältig! Geben Sie nur denjenigen Parteien und Kandidaten Ihre Stimme, die die Identität der Völker Europas und darüber hinaus respektieren.
  • Geben Sie nur denjenigen Parteien und Kandidaten Ihre Stimme, die die Vielfalt in unserer Gesellschaft als einen festen Bestandteil des friedlichen Zusammenlebens, als Bereicherung der europäischen Kultur, der Wissenschaft und der Kunst ansehen.

Die Abgeordneten sollen in ihren Parlamenten die Ideen des Vermächtnisses unserer Vorfahren, von denen viele ihr Leben für eine Zukunft in Frieden und Freiheit geopfert haben, in Ehren halten.

Oranienburg/Sachsenhausen, April 2024